Get Jinxed – Warum ich League of Legends liebe
„Ach so, dein komisches Spiel…“ Nein. Das ist kein komisches Spiel. Das ist vielmehr für mich, als nur irgend so ein Nerd-Ding. Es geht nicht um Sammelwahn oder darum ein Fangirl zu sein. Ich bin nicht spielsüchtig und ich zocke auch nicht 24/7. Allerdings: Ich könnte mich 24/7 mit League of Legends beschäftigen.
Zocken, Merch shoppen, Esports gucken, News lesen, Streams schauen… nicht unbedingt in der Reihenfolge, doch es gibt genug Möglichkeiten. Aber ich wollte ja beantworten, was das alles soll.
Warum fliege ich nach Barcelona um zwei Tage in einer Halle zu sitzen um auf eine Leinwand zu starren, bzw. die Typen auf der Bühne zu sehen, die hinter ihren Monitoren hocken? Warum mache ich von allem und jedem Fotos, stehe bis nachts vor dem Hotel, weil es zufällig nur 200 Meter von unserem entfernt war und kriege ganz weiche Knie, wenn ich meine Idole treffe? Warum sind das überhaupt meine Idole? Und warum diese vollkommen mit Merch überladene Zockerecke, warum die drei Handys gleichzeitig beim Geburtstagsessen um Tickets für die Rift Rivals zu kriegen, warum jetzt auch noch ein Tattoo, um Himmelswillen!?
Ganz einfach: Weil League of Legends mir Hoffnung und Freude gegeben hat, wo keine mehr war.
Die Anfänge
Manche von euch wissen vielleicht, dass ich ab 2013 ein paar ziemlich üble Jahre hatte. Klar, ich hatte allgemein nicht immer das einfachste Leben, aber wer hat das schon? Ich kam trotzdem irgendwie immer zurecht und über die Runden. Aber im Sommer 2013 tat sich allmählich ein Loch auf, das mich spätestens nach dem Tod meines besten Freundes (das beschreibt nicht mal annährend, was mir der Mensch wirklich bedeutete!) im April 2014 restlos verschlungen hatte.
Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, kann ich mich an manches gar nicht mehr erinnern. Vieles ist einfach schwarz und nebelig. Ja, ich habe gearbeitet und ja, ich habe auch einiges unternommen. Ich könnte nur auf Anhieb nicht mehr sagen, wann ich was gemacht habe oder – um ehrlich zu sein – was ich überhaupt gemacht habe. Ich schaue mir manchmal Bilder an, auf meiner Timeline oder in Ordnern, und versuche mich über das Bild hinaus daran zu erinnern, wie es war, was ich fühlte, was danach oder davor passiert ist. Und in den meisten Fällen ist die schlichte Antwort: Nichts.
Ich weiß es einfach nicht. Ich kann es nicht greifen. Es ist so, als würde mir eine andere Person erzählen:
„Guck mal, wir waren in Berlin.“
„Aha. Ok. Und wie wars so?“
„Ja, ganz schön eigentlich.“
Vielleicht fühlt man sich so ähnlich, wenn man einen Filmriss hatte. Ich kann das leider nicht beurteilen, weil mir das bisher noch nie so passiert ist. Grundsätzlich erinnere ich mich eigentlich immer recht gut an alles. Deshalb macht es mir bis heute umso mehr Angst, dass ich überhaupt nicht richtig sagen kann, was ich so in den letzten 3 – 4 Jahren getrieben habe.
Klar, da gibt es kleine fixe Erinnerungen. Griechenland, Mera Luna, bestimmt hatte ich auch Geburtstag, aber fragt mich nicht, wie ich in den entsprechenden Jahren gefeiert habe… Aber es ist immer das Gleiche: Ich weiß, ich war da. Ich sehe das Foto. Ich weiß auch, es war ganz schön. Aber mehr weiß ich nicht. Die Person auf dem Bild ist fremd. Sie ist weit weg. Sie ist leer.
Doch warum erzähle ich das alles? Ich wollte ja schließlich erklären, warum mir dieses ‚komische Spiel‘ so wichtig ist. Weshalb ich mir bald ein Tattoo stechen lasse, das damit im Zusammenhang steht. Warum ich so verrückt nach League of Legends bin…
Nun, nicht alles war schlecht in den Jahren ab 2013. Auf Drängen eines sehr lieben Freundes hin, lud ich mir im Sommer 2013 dieses ‚komische Spiel‘ runter, nachdem ich mich einige Monate dagegen gewehrt hatte. Leider wollten meine Leute zu der Zeit kaum mit mir zocken. Zum einen war ich richtig mies, zum anderen hatten sie gerade andere Games, die interessanter waren… oder sie hatten schlichtweg keine Zeit.
Die League of Legends Spieler unter euch werden wissen, dass es gerade am Anfang sehr schlimm sein kann, in diese Community geworfen zu werden und sich alleine zurechtzufinden zu müssen. Insbesondere wenns das erste Moba ist. Deshalb war ich irgendwann so frustriert, dass ich nicht auf „Nochmal spielen“ klickte und dümmlich den Client anstarrte, als die Nachricht vom Finale der Weltmeisterschaft 2013 aufploppte. ‚Schaue jetzt SKT vs…‘. Ich hatte keinen blassen Schimmer davon, was das war oder warum das interessant sein könnte, aber ich hatte auch nichts Besseres zu tun.
Willkommen in der Welt des E-Sports
Also Link angeklickt, 5 Minuten geschaut und ZACK! Ich war drin.
Aha! Das ist also Faker, der in dem Musikvideo erwähnt wird. Oh mein Gott, diese Spielzüge! Großartig diese Caster! Haha, Korean-Hype-Train!
Ich war total fasziniert. Und das Beste daran: ich erinnere mich, dass es so gewesen ist, ohne ein Foto zu haben. Genau das ist das Besondere an dem ‚komischen Spiel‘ für mich. Während dieser Jahre, die so sehr im Nebel stecken, erinnere ich mich an League of Legends.
Ich erinnere mich daran, wie ich das erste Mal TSM spielen sah und die Crowd schreien hörte. Ich erinnere mich an die Fantasy LCS und wie ich jeden Tag zum Frühstück ein Spiel vom gestrigen Abend anschaute, bevor ich zur Arbeit musste. Ich erinnere mich an die Momente, wo alles einfach nur Scheisse war und ich vollkommen apathisch im Wohnzimmer rumsaß, bis ich mich dazu durchrang, auf ‚Spielen‘ zu klicken. Ich erinnere mich an den Abend, als Kumpels von mir, mich mit zu ihnen nahmen, weil ich vollkommen fertig war, und wir Aram-Saufen spielten. Ich erinnere mich an die Worlds 2014, wie TSM es schaffte, zumindest einen Sieg gegen die unüberwindbaren Samsung White zu erringen und somit zu verhindern, dass Sie einen perfekten Durchlauf hinlegten. Und natürlich erinnere ich mich an die Weltmeisterschaft 2015.
Ich weiß noch, wie ich die Ankündigung gelesen habe, dass die Weltmeisterschaft in Europa stattfinden wird und wie ich zu meinen Freunden meinte: Wenn irgendwas in Deutschland ist, fahren wir dahin!
Und dann waren die langersehnten News da – das Finale (!) würde in Berlin sein.
Ich konnte an kaum etwas anderes mehr denken und ich machte extra früher Feierabend, um genau auf die Minute zum Verkaufsstart zuhause zu sein und Tickets zu ergattern. Fehlanzeige. Mit zwei Rechnern keine Chance. Ich hätte es wissen müssen, dachte ich mir. Natürlich geht’s schief – du hast dich darauf gefreut (ja, damals waren die Gedanken so).
Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin
Bots (oder bezahlte Ticketkäufer – keine Ahnung, wie das Metier läuft) hatten innerhalb von wenigen Minuten alle Kontingente aufgekauft. Nur 10 Minuten nach Verkaufsschluss gab es schon Google Werbung für die Tickets und sie wurden auf Wiederverkaufsplattformen zum doppelten oder dreifachen Preis angeboten. Super. Danke, Welt.
Mein damaliger Freund (ein super lieber Mensch, der versuchte mir immer irgendwie zu helfen aber letztlich nicht gegen den Nebel ankam – auch weil er eigene Baustellen hatte, die nicht kompatibel waren) versuchte mich mit einem besonderen Geschenk zu überraschen. Er hatte tatsächlich ein Ticket über Ebay gekriegt. Er wusste, wie wichtig es mir war und wollte es mir ermöglichen. Doch damals war ich so neben der Spur und verunsichert und komisch, dass ich mich einerseits freute und andererseits eine unglaubliche Angst davor hatte, alleine zu gehen. Der Gedanke machte mich vollkommen fertig und er bekam das ab. Bis heute tut mir meine damalige Reaktion unglaublich leid, aber ich habe es einfach nicht geschafft, den Weg alleine zu gehen.
Musste ich aber auch nicht.
Ich beratschlagte mich mit meinen Kumpels und ich hatte die Angebote über Ebay verfolgt. Es war zwar eine Schweinerei, für welche Preise die Tickets über den Tisch gingen, aber es blieb ja keine andere Möglichkeit. Also kaufte ich drei Tickets und einen Teil der Mehrkosten ‚schenkte‘ ich meinen Leuten zum Geburtstag. Natürlich wollten sie das nicht – sie wollen sowas nie – aber ich versicherte ihnen, dass es für mich mehr Geschenk sei, als für sie.
Sie haben es erst nicht begriffen – so wie wahrscheinlich die meisten hier meinen kleinen LOL-Wahn nicht begreifen. Aber als wir dann tatsächlich in der Halle standen und ich einfach nur lachte und gleichzeitig vor Freude weinte und das bis heute fast immer passiert, wenn ich daran zurückdenke, verstanden sie es.
Es war der absolut schönste und vielleicht einzig wahre glückliche Moment in den Jahren 2013 bis Mitte 2016; vielleicht sogar der schönste Moment in meinem bis dato bewussten Leben. Ich habe gezittert, weil ich so glücklich war, und war von mir selbst total irritiert. Ich habe jeden Moment an diesem Wochenende ganz bewusst aufgesogen und verinnerlicht und gelebt.
Mehr als nur ein Spiel
Ich kann letztlich nicht konkret sagen, was das Spiel mit mir macht. Ich weiß nur, dass es mich glücklich macht. Und dass es mich sogar glücklich machte, als dass eigentlich nichts anderes mehr konnte.
Natürlich lachte ich zwischendurch und natürlich hatte ich auch ausgelassene Augenblicke mit meinen Freunden oder auch mit meinem damaligen Freund. Es gab gute Stunden und sicherlich war ich da auch zeitweise Mal glücklich. Ich kann mich emotional nur nicht erinnern. Es blieb nicht. Und das ist der entscheidende Unterschied – dieses ,komische Spiel‘ bleibt.
Es hat mich immer wieder durchhalten lassen, es hat mich abgelenkt und es hat mir viele glückliche Momente geschenkt. Es hat mir gezeigt, dass es anderen ähnlich geht (ich kann die Dokus über die Pro-Spieler oder über die Schicksale der normalen Spieler nur empfehlen). Das Lied ‚Get Jinxed‘ war für mich nicht nur ein super geiler Song zu meinem Lieblingschampion, es sagte mir auch jedes Mal wenn ich durchhing: ‚Raff dich auf. Mach weiter. Halt durch. Jammer nicht.‘
Der Poro, den ich 2015 zum Geburtstag bekam, ist nicht nur ein niedliches Stofftier, dass mich jetzt zu jedem Esports Event begleitet – er hat auch viele Tränen geschluckt und es ausgehalten, wenn ich mich daran festkrallte oder vollkommen aufgewühlt irgendwo saß und mich damit beruhigte, über die samtige Zunge zu streichen.
Ich möchte nicht sagen, dass League of Legends mich irgendwie gerettet hat oder mir geholfen hat, das dunkle Loch hinter mir zu lassen. Das habe ich mir anderweitig hart erarbeitet. Aber es hat mich zumindest durchhalten lassen und mich begleitet. Und letztlich hat es sogar dazu geführt, dass ich den unglaublichsten Mann der Welt kennengelernt habe. Jemanden, von dem ich dachte, es würde ihn nicht geben. Quasi mein Chiaki oder Disneyprinzen, wenn ihr es so nennen wollt. Und natürlich meinen neuen Duo-Que-Partner und gelegentlichen Support.
Deshalb liebe Leute: Das Spiel hat mich zu dem gemacht, wer ich heute bin und es ist ein großer Teil von mir. Es muss mich nicht mehr ablenken oder irgendwo rausreißen, aber es macht mir immer noch genauso viel Spaß. Die Bedeutung, die es für mich hat, wird es so schnell nicht verlieren. Diese Erinnerungen gehen nämlich nicht weg. Die bleiben. Und deshalb kommt bald auch etwas Bleibendes auf den Arm.
In diesem Sinne: Get Jinxed.
Sag uns deine Meinung!